merve1999
erschienen 1999 in springerin
Die Gesellschaft mag an ihrer Basis ein Aggregat anonymer und kollektiver Prozesse sein – die daraus resultierenden sozialen Strukturen verkörpern sich in einzelnen Figuren, die als souveräne Verursacher jener Prozesse erscheinen können, wobei mythische Verklärung die für die Repräsentation notwendige Distanz herstellt. Mythen sind Diskursformen, die über historisch variierende Medien tradiert werden -– und die vermutlich älteste mediale Figur ist der Kriegsheld. Von dem historisch frühen Punkt an, wo der Diskurs/das Medium die Regie über seine Erscheinung übernommen hat, kommt der Held zusätzlich in der Figur des Schauspielers vor. Das Zeitalter der Simulation zeichnet sich durch die zunehmende Verschmelzung der beiden Figuren aus. Nicht nur werden Schauspieler auch jenseits ihrer Rollen zu immer gewichtigeren Trägern sozialer Bedeutung, wo sie als individuelle Prototypen die letzte Instanz gesellschaftlicher Normen darstellen. Auch auf der anderen Seite, bei den Funktionären der Macht erweist sich die Verfügung über die Verführungskraft medialer Präsenz als zunehmend fundamentaler Bestandteil ihrer Herrschaft. Diesen Gegebenheiten geht der Autor „QRT” (alias Markus Konradin Leiner) in einem Text über die exemplarischen Helden Norman Schwarzkopf und Arnold Schwarzenegger nach. Es zeigt sich, daß Schwarzkopf seine Rolle als strahlender Kriegsheld nicht nur seinen militärischen Fähigkeiten, sondern vor allem auch einer großen Aufmerksamkeit für die wachsende Bedeutung der Medien zu verdanken hat. Seine mediale Existenz schließt noch die traditionell narrative (Buch-)Form mit ein. Seine kurz nach Desert Storm erschienene Autobiographie, gestattet es, Punkt für Punkt die Entwicklung vom 12-jährigen Militärschüler deutscher Herkunft zum Oberbefehlshaber nachzulesen. Ein frühes Interesse an Informatik fällt dabei ebenso auf wie eine nicht abreißende Serie von simulierten Kriegsszenarien, zumeist in Wüstengebieten, unterbrochen durch die Teilnahme am Vietnam-Krieg, dessen Scheitern, vor allem wegen des schwindenden Vertrauens der amerikanischen Bevölkerung in „ihre” Armee ihn nachhaltig beschäftigen mußte. Schwarzenegger hat der Figur des Kriegers eine neue Form gegeben. Durch seine übersteigerte Muskulosität überwand er das Gefühl von drohender Unterlegenheit des weißen Körpers, dem er eine maschinenhafte Verfügbarkeit virtueller Reserven versprach. Das Verhältnis von Kriegsschauplatz und seiner Verbindung mit dem kollektiven Leben der Gesellschaft, die sich im Kriegszustand befindet, hat sich heute auf die globale Weltgesellschaft ausgedehnt, und zugleich auf die Dimension von Wohnzimmern mit Fernseh- und Internetanschluß zusammengezogen. In der klaustrophobischen Enge, die das globale Geschehen derart strukturiert, sind die wesentlichen Momente der Erfahrung aller Beteiligten bereits vielfach medial vorgekaut, und erscheinen deshalb als leichtes Spiel. QRT, der die dabei wirkenden Prinzipien im Rekurs auf Medientheoretiker wie Baudrillard analysiert, antwortet nicht mit moralischen oder realpolitischen Forderungen. Der distanzierte Blick auf die Medien ist, vor allem in Momenten der kriegerischen Zuspitzung, mit dem Zweifel belastet, ob er mehr als impotentes Wissen hervorbringen kann. Sein Scharfsinn in Bezug auf die Formationen der Macht scheint noch allzusehr mit der Rolle des externen Beobachters zu sympathisieren, die dem des ohnmächtigen Konsumenten von „sauberen” Bildern so ähnlich ist. Doch auch die Lösung dieses Dilemmas wäre womöglich nur über eine Art von Heldentum möglich. Und die Frage, wie die dafür verantwortlichen sozialen Mechanismen in einer anderen Weise angeeignet beziehungsweise außer Kraft gesetzt werden könnten, bliebe dann weiter unbeantwortet.
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