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Metanoia oder eine andere Sicht der Dinge – Valie EXPORT


Medienkunst ist in den letzten Jahren zu einer recht normalen Sache geworden. So normal wie der Triumph des Spektakels, in dem sich die Spannung komplexer Reflexion mehr und mehr auf die hartnäckige Wiederholung dürftiger Argumente reduziert. Die Retrospektive auf die Arbeit einer Pionierin der Medienkunst könnte in diesem Kontext leicht zur reinen Beglaubigung avantgardistischer Mythen geraten. Die Ausstellung in Innsbruck versucht dem durch sachliche und nüchterne Präsentation einer Reihe von Arbeiten zu begegnen.
Für die frühen Arbeiten lässt sich dabei feststellen, dass der provokative Gestus des „Tapp & Tastkinos”, der wie die feministische Variante zum Wiener Aktionismus erscheint, zusätzlich an medientheoretische Reflexionen anknüpft, die einen Gegenpol zu jener skandalträchtigen Wildheit abgeben. Am deutlichsten wird das vielleicht bei den „Adjungierten Dislokationen”, die den Zusammenhang und den Spalt thematisieren – zwischen dem Körper, der sich eines Mediums bedient und dem medialen Produkt, in dem er unsichtbar bleibt. Wenn die Regel die ist, dass der männliche Blick auf die passive, verdinglichte Frau gelenkt wird, dann durchkreuzen EXPORTs Experimente diese Verhältnisse mehrfach. Im „Tapp & Tastkino” blickt sie zurück und stellt damit die Grundlage einer dialogischen Situation (wieder) her, und in einer Reihe von Arbeiten, wie „Splitscreen: Solipsismus”, wo ein Boxer gegen sein Spiegelbild kämpft, oder in „Facing a Family”, wo nichts als eine Familie beim Fernsehen gezeigt wird, werden mediale Visionen auf ihre trivialen Wurzeln zurückgeführt. Überhaupt ist ein Schuss Ironie vielen ihrer Arbeiten eigen. Vor allem darin deutet sich die Komplizenschaft mit der anonymen Gruppe der MedienkonsumentInnen an, die gar nicht so passiv sind, wie es ihnen von den professionellen AktivistInnen gerne nachgesagt wird – denn gerade in der Wahrnehmung der Lächerlichkeit kommt ein ästhetisches Vermögen zum Ausdruck.
Freilich darf die Gewalt, die bei der Aufteilung des sozialen Raums in verschiedene Gruppen im Spiel ist, nicht verkannt werden. Valie EXPORTs Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie den politischen Verhältnissen, die diese Gewalt reproduzieren, eine intensive Aufmerksamkeit schenkt. Vor allem die Installation „Violation – Schnitte – Beschneidung” (1995 - 2000), die sich mit dem aktuellen Missstand der Geschlechtsverstümmelung befasst, steht in einer Tradition politischer Aufklärung und stellt konkretes Bild- und Textmaterial in einen suggestiven Zusammenhang. Aber auch weniger offensichtliche Formen der Macht benennt und negiert sie, z.B. in „Körper-Material-Interaktionen”, die auf eigene Körperaktionen zurückgreifen. Wenn sie dabei ihren Körper einer symbolischen oder tatsächlichen Gewalt ausgesetzt hat, so zeichnete sich diese Geste immer auch durch eine Taktik der Irritation aus. Der Körper tritt damit sowohl aus dem Wahrnehmungschema des ritualisierten Opfers, als auch aus dem der essentialistisch gefassten Natürlichkeit heraus und demonstriert seinen glücklichen Eigensinn.
Letztlich wird hierbei auch die Grenze des Bereiches, der als politisch gelten darf, in Bewegung versetzt. Die Arbeit „Der Schrei” von 1994 fasst in diesem Sinn noch einmal die verschiedenen Ebenen, die so in Wechselwirkung versetzt werden können, zusammen. Die Stimme ist von jeher ein körperliches Phänomen, das die grobe Einteilung in Körper und Geist durchkreuzt. Der Mechanismus der Stimmlippen, der in einer großen Videoprojektion sichtbar gemacht wird, lässt sich nicht mit dem akustischen Komplex zur Deckung bringen, der durch ihr Zusammenspiel mit Atmung, Rhythmus, Tonhöhe etc. entfaltet wird. Dazu kommt noch die Sprache, und die vielfältigen Differenzierungen, zu denen es beim Sprechen kommt. Um die Macht der Normierung zu unterstreichen, lässt Export aus einem zweiten Lautsprecher psychotische Stimmen tönen, die als Wellendiagramme visualisiert sind. Ein drittes Element lässt sich schließlich auch als Selbstreflexion der MedienarbeiterIn interpretieren: In Laserprojektion werden Schriftzüge tibetanischer Möche gezeigt, die sie aus der Gefangenschaft schmuggeln konnten, und so vor dem Verschwinden bewahren konnten. Ein ähnliches Schicksal könnte in unserer Gesellschaft kritischer Reflexion bevorstehen, so dass schon die museale Archivierung ihrer ehemaligen Blüte als große Chance erscheint.

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Michael Hauffen

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