kunstraum münchen24. 03. 2006 – 14. 05. 2006
erschienen 2006 in KUNSTFORUM
Der Widerstand gegen das Primat des Tafelbildes in der bildenden Kunst mag heute normal sein – Aufbegehren gegen die Dominanz des Kunst-Objektes bleibt jedoch weiter die Ausnahme. Wenn daher eine Präsentation von neu erschienenen Künstlerbüchern den Fokus einer Ausstellung liefert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die vorherrschende Regel des Dekorativen, Spektakulären und Vermarktbaren einmal gebrochen wird.Die Gruppe schleuser.net kann da eine prominente Außenseiterposition für sich beanspruchen. Ihr intermediales Projekt „Transit-Wellen” konnte letztes Jahr im Rahmen der „Ortstermine” großzügig finanziert stattfinden. Das „Kunstwerk” bestand aus einem temporär installierten Radiosender im Münchner Altstadttunnel, der ein kurzes Radioprogramm zu den Themen Migration, Mobilität und nationaler Identität ausstrahlte. Vorbereitet wurde diese Intervention durch ein zweitägiges Arbeitstreffen mit internationalen Radiokünstlern, bei welcher Gelegenheit auch die Planung, sowie die behördlichen Komplikationen des Genehmigungsverfahrens präsentiert wurden. Zur Eröffnung fand eine Bustour statt, die den Live-Empfang des Senders im Tunnel mit einer Reihe von Vorträgen verband. Dazu liegt nun die Dokumentation in Form eines kleinen Buches mit CD-Rom vor, das zusammen mit einem in der Ausstellung gezeigten Video das Projekt noch einmal Revue passieren lässt.Stefan Römers Publikation bezieht sich auf seinen Film „Conceptual Paradise”, an dem er seit drei Jahren gearbeitet hat, und der nun fertig ist. Darin werden nicht nur konventionelle Interviews mit den Hauptvertretern der conceptual art, also beispielsweise mit Vito Acconci, John Baldessari, Andrea Frazer, Dan Graham oder Lawrence Weiner geführt – die gesamte Liste umfasst über 50 Künstler und 9 TheoretikerInnen –, sondern der Film selbst identifiziert sich mit den Zielen und Methoden der Konzeptkunst, will also eine Perspektive auf deren Ideen von innen heraus konstruieren. Anders formuliert handelt es sich um ein Werk der Konzeptkunst, die sich, wie es der Untertitel „There is a place for sophistication” unterstreicht, vor allem im gedanklichen Vollzug einer kritischen Befreiung von verdinglichter Ästhetik vollzieht. Als ironische Bezugnahme auf letztere à la Art&Language fertigte Römer für die Ausstellung einen Siebdruck auf Leinwand an, der die Titelseite seines Filmbuches mit einer Namensliste abgedruckter Statements wiedergibt.„Space is a Place” heißt Beate Engls Buch, das sich mit Kunst im (öffentlichen) Weltraum auseinandersetzt, und dabei ein Thema aufgreift, das schon bald die Bedeutung eines belächelbaren Randphänomens hinter sich lassen könnte. Angesichts von Megaprojektionen auf Wolkenkrater und Verhüllungsspektakeln im Quadratkilometerbereich scheint für die Werbung der Schritt in die Stratosphäre und darüber hinaus bereits absehbar. Und genauso wie im metropolitanen öffentlichen Raum wird es dann auch dort für die Kunst zur Herausforderung werden, sich kritisch zu positionieren. Insofern ist Engls Darstellung der Geschichte und des aktuellen Stands der Weltraumkunst durchaus ernst zu nehmen, was keinen Widerspruch dazu darstellt, dass die Lektüre häufig zum Lachen reizt. Das liegt nämlich vor allem an dem Umstand, dass in diesem „Space” so heterogene Dinge wie Hightech, ästhetischer Dilettantismus und wilde Imaginationen aufeinander treffen. Auf perfekte Weise illustriert diese Melange das Objekt, mithilfe dessen Engl ihren Ansatz in die Ausstellung einführt. Aus einem Lautsprecher in einer Art Raumschiff-Orion-Design hört man die Künstlerin auf eine fiktive Einladung zur Produktion eines Kunstwerks für den Weltraum mit dem Plan antworten, zunächst die Bedingungen für ein solches zu erforschen. Unter dem Lautsprecher drehen sich mit hoher Geschwindigkeit zwei weitere Audiohörner, aus denen vertraute space-ambient-Klänge dringen, und erzeugen den für die 60er Jahre typischen Leslie-Effekt, was optisch und akustisch Weltraumgefühle weckt, ohne ihre Konstruiertheit zu verklären.Solcherart Spiel mit mehrdeutigen Semantiken ist uns als eine der Säulen der Kunst natürlich im Prinzip vertraut. Wolfgang Stehle ist hierin ebenfalls ein wahrer Meister, und zwar im Fall seines neuen Buches auf dem Gebiet der Zeichnung, die er parallel zu seinen kommunikationsorientierten Objekten und Installationen pflegt. In „A Deux Mains” lässt er seine grafischen Highlights von Claus-Christian Vogel frei kommentieren. Die Arbeiten setzen sich vor allem mit den Standards der Darstellung menschlicher oder tierischer Körper auseinander, indem sie unser visuelles Wissen provozieren. Dabei wird einem klar, dass dessen Selbstverständlichkeit weniger auf eigener Anschauung als auf der steten Belieferung mit vulgärwissenschaftlichen Bildern beruht. Durch seine Konstruktion von Modellen, die einer dazu quer gelagerten, tendenziell ornamentalen Logik folgen, lässt Stehle konterkarierend das disziplinarische Moment an der etablierten Sicht auf Körper und ihre funktionale Logik deutlich werden. In einer der beiden gezeigten Videoanimationen geht er der grafischen Darstellung von Pflanzen und Wachstum nach, und setzt zusätzlich minimalistische Soundfragmente ein, um auf subtile Weise das herrschende Klischee von der harmonisch geordneten Natur zu dekonstruieren.
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