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Shared.Divided.United
Deutschland-Korea: Migrationsbewegungen im Kalten Krieg


Der Geschichte Koreas und seiner heutigen Realität wird hierzulande eine eher marginale Bedeutung beigemessen, auch wenn die atomare Bedrohung Nordkoreas und das enorme wirtschaftliche Wachstum Südkoreas immer wieder für Aufmerksamkeit sorgen. Der beinahe vergessene Krieg mit seinen historischen Verwicklungen und die anhaltende Spannung, die das geteilte Land prägt, haben allerdings mehr mit uns zu tun, als es räumliche Entfernung und mediale Standardthemen suggerieren. Die Ausstellung shared.divided.united unternimmt an dieser Stelle den Versuch, über die Thematik deutsch-koreanischer Migrationsbewegungen ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass es neben den allgemeinen globalen Abhängigkeiten auch sehr spezielle Verbindungen zwischen Deutschland und Korea gibt.
Den höchsten Bekanntheitsgrad dürfte noch das Phänomen koreanischer Krankenschwestern aufweisen. Ihre anhaltend starke Präsenz in der BRD geht auf eine Initiative des Roten Kreuzes zurück, das zu Zeiten des Koreakrieges medizinische Unterstützung für den Süden plante. Die ersten Hilfen trafen erst nach Beendigung des Krieges ein, dafür werden aber dieselben Baracken bis heute als Unterkünfte für medizinisches Personal genutzt, wie auch der Zustrom koreanischer Krankenschwestern nach Deutschland seitdem nicht mehr abreißt. Die Dokumentation dieses Sachverhaltes ist eines der Gebiete, mit denen die KuratorInnengruppe des Ausstellungsprojektes eine Art zeitgeschichtlichen Rahmen geschaffen hat, innerhalb dessen dann die eigentlich künstlerischen Positionen verankert wurden. Weitere Migrantengruppen waren koreanische Bergarbeiter, die in die BRD kommen durften, weil sie sich als Soldaten verdient gemacht hatten, sowie später auch koreanische Waisenkinder und Elitestudenten, die die Vorzüge einer DDR-Entwicklungshilfe genossen. Alle diese Vorgänge stehen natürlich im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg und bezeugen das Bewusstsein in Ost- und Westdeutschland von der Bedeutung des Koreakrieges, in dem stellvertretend eine globale Konfliktsituation eskalierte, die schließlich in das System der atomaren Abschreckungspolitik mündete. Zurück blieben als eine Art von Symptom MigrantInnen und ihre Nachkommen. Auf deren Identitätskonflikte beziehen sich eine Reihe künstlerischer Positionen. Helena Parada Kim setzt Bilder aus dem familiären Fotoalbum, die etwa die Mutter als Krankenschwester zeigen, malerisch um, und versucht dabei zwischen asiatischen und westlichen Maltraditionen zu vermitteln. Kate Hers nutzt Anklänge an asiatische Klischees für Bildmontagen mit cartoonhaften Elementen, die auf die Kritik kolonialer Ideologie abzielen. Mit sprachlichen Problemen setzt sich Enna Kruse-Kim in einer Videoarbeit auseinander. Als Tochter einer Koreanerin kennt sie die Sprache ihrer Mutter nur aus deren Wörterbüchern, das „Mutterland” bildet eine prekäre Leerstelle, die nur mit vagen Bildern gefüllt werden kann. Eher allgemein nehmen die Arbeiten von Kerstin Kartscher den Faden auf, wenn die Erfahrung psychischer Ausnahmezustände auf kreatives Potential hin ausgelotet wird. Duck-Hyun Cho, der alte Gruppenfotos in fotorealistische Zeichnungen umsetzt, deren grafische Leichtigkeit er durch zusätzliche Inszenierung der Trägermaterialen bricht, gibt eine Hochzeit zwischen einem koreanischen Bergarbeiter und einer koreanischen Krankenschwester wieder, wobei die Leinwand eines Bildteiles sich als symbolischer Überschuss in Analogie zum abgebildeten Brautschleier in den Raum fortsetzt.
Den eigentlichen Schwerpunkt der Ausstellung bildet aber dann das Thema der geteilten Nation und von hier ausgehend die Parallelen zwischen der koreanischen und der deutschen Geschichte, nicht zuletzt mit Hinblick auf die Stadt Berlin, in der sich die Ausstellungsorte auf den ehemaligen West- bzw. Ostteil der Stadt verteilen. Aufgrund der Tatsache, dass in Korea seinerzeit ein erbitterter Krieg zwischen Koreanern geführt wurde, in Deutschland hingegen nicht, fällt selbstverständlich auch die Schärfe der Gegensätze hier anders aus als dort. Für Berlin folgt Florian Wüst den Spuren dreier bekannter Schriftsteller, die aus der DDR ausgebürgert wurden, und sich im westlich geprägten Kulturleben nicht wieder zurechtfanden. Demgegenüber steht in Nord- und Südkorea eine Gesetzgebung (Nationale Notstandsgesetze), die bis heute jeglichen Kontakt mit dem anderen Teil als Schwerstverbrechen einstuft. Gewaltsame Entführungen und Hinrichtungen wegen grenzüberschreitender Aktivitäten wurden übrigens auch durch Geheimdienstfilialen in Berlin ermöglicht, das zeitweise einen wichtigen Fluchtpunkt koreanischer Regimekritiker bildete. Chang-Won Lee erinnert an die Situation mit einer Lichtinstallation, die Fotos von ermordeten Intellektuellen, deren Negative auf Spiegel gedruckt sind, als Phantome erscheinen lässt. Während also in Europa das „Ende der Geschichte” nah zu sein scheint, ist Korea von einer erfolgreichen Deeskalation noch weit entfernt. Eine Reihe von künstlerischen Positionen treibt deshalb die Frage an, wie sich eine Lösung der unerträglichen Spannungen herbeiführen ließe. Sunmu, der seine Malereiausbildung in Nordkorea absolvierte, ist mit viel Glück die Flucht in den Süden gelungen, wo er aber allein durch die Wahl seiner Motive nordkoreanischer Propaganda, auch wenn er sie durchweg einer Art satirischer Brechung unterzieht, Anstoß erregt, und staatlicher Zensur zum Opfer fällt. Kritik ist im vermeintlich demokratischen Südkorea genauso wenig erwünscht, wie jegliche Zugeständnisse an die andere Seite umgehend von konservativen Kräften verurteilt und unterminiert werden. Noh Suntag stellt die beiderseits geleugnete Spiegelbildlichkeit der verfeindeten Kulturen mit Fotodokumenten von Szenen der Massenhysterie oder politischer Verfolgung dar. Mit der Ressource Wasser greift Chan-Kyong Park ein zentrales Konfliktthema auf, zitiert dazu aber malerische Studien kunsthistorischer Vorbilder. Nur die gelegentlichen Unterbrechungen der Videoarbeit verweisen auf eine prekäre Stromversorgung und deren Abhängigkeit von Wasserkraftwerken.
Jae-Hyun Yoo und Farida Heuck setzen sich mit dem Grenzbereich zwischen Nord- und Südkorea, der sogenannten demilitarisierten Zone (DMZ) auseinander. Sie unternahmen mehrere Erkundungsfahrten in dieses Gebiet, und sammelten Belege für die These, dass die Grenze keine bloße Linie ist, sondern ein Raum mit eigenen Gesetzen. Während im Norden eine Sonderindustriezone heranwächst, und ebenso wie die wenigen hier lebenden Bauern strengster Überwachung ausgesetzt ist, stehen alle Aktivitäten andererseits unter besonderem offiziellen Schutz, da sie die Vorzüge der eigenen Nation für den vermeintlichen Blick über den Zaun unterstreichen sollen. Ein Modell in einem roten Kasten, das einen Ausschnitt der Zone nachbildet, und in dem kleine Videomonitore platziert sind, erlaubt die Beobachtung der resultierenden Widersprüche, als ob es sich um ein Laborexperiment handelte. Ist also Korea tatsächlich nur eine extreme Ausnahme in einer Welt, die sich mehr und mehr normalisiert, wie es dieses Arrangement suggeriert, oder ist es nur ein Ort der Zuspitzung von Konflikten, die nach wie vor das globale Geschehen dominieren? Möglicherweise leben ja auch wir hier nur in einer ausgedehnten DMZ, während die Kämpfe um Ressourcen und Machtsphären an deren Peripherien und hinter die Fassaden verlagert wurden.
Weitere beteiligte Künstler: msk7, Jan Ralske, Kane Do, Harun Farocki und Georg Klein.

NGBK, 10. Oktober – 15. November 2009
Kunstverein Hildesheim, 28. November 2009 – 31. Januar 2010

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit dem gleichnamigen Titel „Shared.Divided.United” (deutsch/englisch). ISBN 978-3-938515-31-0

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Michael Hauffen

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