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Omer Fast – »Reden ist nicht immer die Lösung«


Vielleicht sind Wartebereiche eine Art größter gemeinsamer Nenner einer globalisierten Welt, in der der einzelne Mensch als Einheit, als operables Grundelement, gleichsam laufend umgeschlagen wird? Subjektiv ist damit die Erfahrung einer ausgedehnten Leere verbunden, die uns das Wesen gesellschaftlicher Existenz genauso offenbart, wie es zugleich seine Komplexität radikal reduziert. Um diese schwer erträgliche Negation dennoch erträglich zu machen, pflegt es an solchen Nicht-Orten verschiedene Angebote zu geben, die vom Kaffee bis zur Kunst reichen, aber den unterdrückten Fluchtinstinkt nicht abstellen können.
Verwandte Phänomene integraler Fremdheit scheint Omer Fast mit seinen Videoarbeiten immer wieder zu umkreisen, und der Coup seiner Ausstellung im Martin-Gropius-Bau besteht darin, dass er sie als Etappen einer Reihe von Warteräumen inszeniert. In seinen simulierten Wartezonen kommen neben den üblichen Sitzreihen, den Pflanzencontainern, Wasserspendern und Infotafeln sogar Kunstwerke vor, die allerdings genauso wie alles andere von knapp kalkulierter Zweckmäßigkeit künden.
Seine eigenen Arbeiten scheinen sich jedoch an derartigen Totpunkten messen zu wollen. Dazu genügt es nicht, einfache Geschichten zu erzählen. Die Herausforderung liegt vielmehr in einer Dekonstruktion medialer und narrativer Strukturen der Verdrängung, die mit einer gezielten Erzeugung von Unklarheiten und Brüchen unternommen wird.
Die Videoarbeit „Continuity” (2012) verweist schon im Titel auf den Ansatzpunkt seiner Methode, auf die Anschlüsse zwischen verschiedenen Erzählsträngen, die nunmehr gerade keine Kontinuität aufweisen. Manches passt zusammen, anderes aber nicht, und so ist der Betrachter gezwungen, eigene Erklärungen für die manchmal sehr subtilen Inkohärenzen zu finden. Den Handlungsrahmen bildet ein Ehepaar, das ihren verlorenen Sohn, der als Soldat unterwegs war, vom Bahnhof abholt. Sie bereiten ihm ein Willkommensmahl. Der Sohn bleibt jedoch merkwürdig sprachlos, äußert sich unklar, hat Visionen. Das Ehepaar reagiert verständnisvoll, aber dennoch wie gegenüber einem Fremden. Zudem wiederholt sich der Ablauf mehrmals, und mit verschiedenen „Söhnen”. Es scheint sich also um eine Art Ritual zu handeln, in das sich sexuelles Begehren mischt, was wieder andere unklare Motive andeutet. In einem neueren Video, „Spring” (2016), das in Split-Screen-Technik mit simultanen Vor- und Rückblenden realisiert wurde, treten ähnliche Charaktere auf, teilweise mit den gleichen Schauspielern besetzt. Es könnte sich um die Vorgeschichte zu „Continuity” handeln, das Drehbuch bringt hier aber expliziter perverse Bedürfnisse und kriminelle Absichten ins Spiel. Den ehemaligen Sohn findet man schließlich als Soldat im Nahen Osten wieder. Die Fassade gepflegter Normalität erweist sich als abgründige Maskerade.
In „5000 Feet is the Best” (2011) wird anhand eines Tonband-Interviews mit einem Drohnenpiloten der Versuch einer Analyse der traumatischen Erlebnisse unternommen, zu denen es kommt, wenn jemand in einem Computerraum wochenlange akribische Recherchen von Bildmaterial mit dem Befehl zur Tötung von Personen abschließt. Wieder wird hierzu ein Reenactment inszeniert – als Dialog zwischen einem in Rätseln sprechenden Drohnenpiloten und einem verschlossenen Interviewer. Situiert in der klaustrophobischen Enge von von Variationen über einen unzugänglichen Konflikt auf.
Diese Arbeit wird in einem der „Wartesäle” auf Monitoren gezeigt. Wie in einem Flughafenterminal sitzt man anderen Besucher*innen gegenüber, die dasselbe sehen. Die vermeintliche Beiläufigkeit des Videos, quasi als Zerstreuungsangebot, zusammen mit der vertraut-unvertrauten Kulisse, verstärkt trotz blendend heller Neonlampen die Eindringlichkeit der dargestellten Problematik. Ist uns das alles nicht näher, als wir es gerne wahrhaben möchten?
In den beiden anderen Warteräumen sehen wir das Video „CNN Concatenated” (2002), das den medialen Raum nach 9/11 thematisierte und „Looking Pretty for God (nach G.W.)” (2008), in dem ein Leichenbestatter aus dem Off über seinen Arbeitsalltag spricht. Das ältere Video konstruierte noch aus dem redundanten Nachrichtenstrom eine neue Botschaft, während das spätere den hinter den Kulissen einer geschönten Welt verborgen bleibenden Umgang mit dem Tod unspektakulär protokolliert, und dabei allen Schrecken der Phantasie des Zuschauers überlässt.
Als museale Rauminstallationen sind diese subtil reflektierten Transitzonen jedenfalls Orte, an denen der globale Zeithorizont einer unauflöslich prekären Gegenwart deutlich spürbar wird. Während Omer Fast in Bezug auf seine Videos betont, dass es darin nicht um Wahrheit gehe, sondern um das provokative Spiel mit fiktiven Elementen, ist es dagegen gerade das Falsche, Ungeklärte und Unausgesprochene, das uns mit der verstörenden Wahrheit unserer Welt konfrontiert.

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Michael Hauffen

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