kunstraum münchen13.9.1996 bis 12.10.1996
erschienen 1997 in KUNSTFORUM
Wenn einem nahezu unbekannten Künstler einige Zeit nach seinem Tod die Ehre widerfährt eine Einzelausstellung in einem Raum für zeitgenössische Kunst zu bekommen, stellt sich leicht die Befürchtung ein, daß sich wieder einmal jene Langeweile verbreitet, die das Gesetz der Musealisierung als Symptom seiner Entfremdung zu begleiten pflegt. Arthur Koepcke war in seiner produktiven Phase an den avantgardistischen Strömungen der „Fluxus”-Kunst maßgeblich beteiligt, wobei es nicht zuletzt darum ging, die subtilen Machtmechanismen herauszufordern, die sich in der institutionalisierten Trennung von Akteur, Kenner und nur staunendem Publikum verbergen. Er hätte von daher einiges einzuwenden gehabt gegen die Rolle eines verkannten Genies, die einer späten Würdigung unweigerlich anhaftet. Angriffe gegen Strukturen, in denen die Angreifer selbst um eine Position kämpfen, führen allerdings in der Regel nicht zu deren Beseitigung, sondern reproduzieren sie vielmehr, auch wenn dabei im Detail Veränderungen resultieren. Im Fall Köpckes lassen sich einige Anzeichen dahingehend deuten, daß er sich mit dieser Logik nicht arrangieren wollte, sondern ihr zu entfliehen versuchte. Schon früh hatte er beispielsweise den Entschluß gefaßt die BRD zu verlassen und Däne zu werden, weil er den Eifer mit dem hierzulande in der Nachkriegszeit Geschichte zugunsten von wirtschaftlichem Erfolg verdrängt wurde, nicht mitansehen konnte oder wollte. Im Feld der Kunst bestand für ihn die analoge Form der Abwendung darin, daß er für die herkömmliche Figur des Künstlers und seines Werks als Mittelpunkt unreflektierter Anbetung alternative Modelle konstruierte. Seine künstlerische Methode bestand in einem analytischen Focus auf das, was auch in den kleinsten Bestandteilen der Kunstpraxis nicht selbstverständlich, sondern nur Gewohnheit ist, und daher einen - wenn auch zumeist verkannten - Spielraum für Überraschungen bereithält. So erklärt sich auch leicht die Tatsache, daß der Kern seines Werks in einer Serie von kleinen Konzepten, sogenannten „Köpcke-pieces”, besteht. Für eine Edition unter dem Titel „Continue” wurden diese von ihm nochmals versammelt und als Nr. 1 bis Nr. 127 geordnet und vervielfältigt. Sie bestehen jeweils aus einem kurzen Text, der wie eine Art Spielanleitung formuliert ist, und von Fall zu Fall durch Zeichnungen, Fotos oder kleine Requisiten ergänzt wird. Von latent paradoxen Sätzen, wie der an verschiedenen (Leer-)Stellen vorgebrachten Aufforderung „fill with own imagination!”, reicht die Spannweite bis zu eher primitiven Anweisungen wie: „count your money in your pocket”. Man liest daraus einerseits den Wunsch des Künstlers, jegliche Hochgestochenheit gegenüber dem Adressaten zu vermeiden, und nur mit den mentalen Vorraussetzungen zu operieren, die bei jedem, der lesen und schreiben kann, gegeben sind. Andererseits wird aber aus dem Kontext klar, daß diese Anweisungen niemals ohne Hintersinn vorgebracht werden. Als vorherrschendes Motiv wirkt der Wunsch die vorgebliche Tiefe beziehungsweise suggerierte Bedeutungsschwere der Kunst zu denunzieren. Indem nahegelegt wird, daß diese trivialen Spiele faktisch dieselben rezeptiven Vorgänge beim Adressaten auslösen wie jene vermeintlich erhabenen Werke, soll einerseits die im Prozess ästhetischer Wahrnehmung enthaltene Lust befreit werden, und andererseits der letztlich nur hemmende Anteil von psychischer und sozialer Magie, der hierbei gewöhnlich im Spiel ist, entmachtet werden. Aufgrund dieser Vorgehensweise ist Köpckes Werk mit Wittgensteins Sprachanalytik verglichen worden. Er unterscheidet sich davon allerdings vor allem durch eine demonstrative Selbstironie, die es zum Beispiel nicht unterläßt dem bloßen Stempelabdruck mit dem Text „Original Koepcke Piece Nr.” als Nr. 54 den Segen eines vollwertigen Kunstkonzepts zu erteilen.Die Ausstellung zeigte die komplette Sammlung dieser „pieces”. Damit war Köpckes Arbeit keineswegs erschöpft. Neben seinem Engagement für Performance-Kunst sowie als zeitweiliger Galerist, dem die meisten Fluxus-Künstler jener Zeit frühe Ausstellungen in Kopenhagen zu verdanken haben, produzierte er eine große Zahl von Materialcollagen und Bildern. Aber auch wenn er sich hiermit ganz auf das Terrain bildnerischer Tradition begab, blieb die Vorstellung von der Unterminierung sogenannter großer Kunst bestimmend.Ihr Geheimnis ist in der Regel nichts anderes ist als ein Trick, um uns verborgenes Wissen vorzuspiegeln, das gar nicht wirklich existiert. Museumspädagogische Maßnahmen haben so gesehen nur die Funktion ihre Adressaten der Disziplin letztlich endloser Exegesen zu unterwerfen. Eine von Koepcke bevorzugte Form diesen Sachverhalt ins Lächerliche zu ziehen, ist seine Einführung von verschiedenen Geheimcodes in Form von Zahlen oder Bildern, deren Lösungen allerdings leichter zu finden sind, als in den meisten Rätselecken von Zeitschriften. Solche Ratespiele lassen sich natürlich auch dekorativ gestalten. Und Köpckes Bemühungen in dieser Richtung würden leicht etwas vollkommen Naives bekommen, wenn sie nicht immer wieder mit Zitaten aus seinen „pieces” versetzt wären. Freilich gibt es auch einige Proben von Erzeugnissen, die zustande kamen, als Koepcke die Gelegenheit ergriff, Besucher seiner Ausstellungen zur Mitwirkung zu bewegen. Ein Beispiel ist das Objekt mit dem Titel „Sie nehmen nur Teil, wenn Sie dieses Aktionsstück, dieses Werk fortsetzen, sonst sind Sie nur ein Zugucker”. Es handelt sich dabei um vier Holzleisten, auf denen verschiedene Taschentücher befestigt sind, und wie der Titel schon vermuten läßt, sind sie von den Besuchern einer Ausstellung beigesteuert worden. Aber im Wesentlichen war Koepcke wohl sein eigener Mitspieler, d.h. er hat seine Anweisungen meistens selbst praktiziert, wobei er allerdings von der Freiheit zur individuellen Ausformulierung der Anweisungen zumeist in der Form Gebrauch gemacht zu haben scheint, daß er sich darauf beschränkte, die Anweisungen in verschiedenen Varianten zu wiederholen und zu illustrieren. Die dabei entstandenen Rollbilder vermitteln den Eindruck, daß die Position eines subtilen Denunziators mit Euphorie verbunden sein kann, daß es begeistern kann mit trivialen, aber klug eingesetzten Mitteln einen mächtigen Mythos empfindlich zu treffen. Faktisch ist davon außer ein paar Künstlern kein großes Publikum bewegt worden. So konnte es nicht nur geschehen, daß Koepcke bis vor kurzem nahezu unbekannt war, sondern auch, daß die Impulse von Fluxus, an denen er maßgeblich beteiligt war, schon bald von anderen Strömungen übertönt wurden. Obwohl diese analytisch geprägte Kunst für ihre Akteure wie die Befreiung von den Insignien der Arroganz wirkte, scheint sich dieser Eindruck nicht durchgesetzt zu haben. Auch heute dürfte sich nur Wenigen das positive Erlebnis vermitteln, in Köpckes Werk einer geistigen Hochform zu begegnen, aus der sich ein Gewinn ziehen läßt. Der Rest wird eher irritiert sein, wenn sich zwischen den „pieces” noch keine Spinnweben gebildet haben.
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