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Bruce Nauman - World Peace (projected)


Bruce Nauman ist bekannt als ein Künstler, der sich Phänomenen der Gewalt unter Einbeziehung medialer Kontexte, einschließlich der Sprache, zuwendet, und dabei den Rahmen konventioneller Verständigungsebenen, wie sie uns etwa in Patentrezepten, Moralpredigten, Appellen oder Sonntagsreden begegnen, wenn nicht verläßt, so doch zumindest heftig attackiert.
Die Arbeit, um die es hier geht, trägt schon im Titel einen grenzenlosen Anspruch zur Schau. Wer kann sich ohne Witz vorstellen, daß Weltfrieden aus einer Kunstinstallation in einem Museum des 20. Jahrhunderts erwachsen soll? Eine Art ironischen Kommentar hat Nauman allerdings bereits mitgeliefert, weil sich aus „World Peace” leicht auch „word piece” heraushören läßt, ein Titel, der im Zusammenhang mit Konzeptkunst die Selbstverständlichkeit eines Standards besitzt. Und um ein Stück mit Worten handelt es sich ja auch.
In einem separaten Raum werden auf fünf verschieden große Flächen Videoaufnahmen projiziert, die in einem Studio aufgenommen wurden, und jeweils eine einzelne Person ohne irgendwelchen inszenatorischen Aufwand zeigen. Alle diese Personen tun im wesentlichen nichts anderes als einen Text vorzutragen. Es handelt sich um eine Folge von Sätzen, beginnend mit „I’ll talk. You’ll listen.” und der Umkehrung: „You’ll talk. I’ll listen.” sowie acht Varianten mit einer festgelegten Reihenfolge, deren Höhepunkt gewissermaßen die Formulierung „We’ll talk to them. They’ll listen to us.” und „They’ll talk to us. We’ll listen to them.” bildet. Dieses Skript wird ohne Ende wiederholt, genau wie die Videoaufzeichnungen, die sich automatisch, und infolge von Laserdisktechnik ebenfalls ohne Pausen wiederholen.
Die kleine Litanei wird also permanent von 5 Personen gleichzeitig, aber wegen der verschiedenen Vortragstempi und wegen verschiedener Ablaufzeiten der einzelnen Abspielgeräte völlig unkoordiniert abgespult. Der erste Eindruck, einem wilden Stimmengewirr beizuwohnen, oder sich in einem Medienraum zu befinden, in dem gleichzeitig mehrere Programme ablaufen, löst sich jedoch schnell auf, schon deshalb, weil die Texte aus insgesamt nur elf Wörtern zusammengesetzt sind. In jeweiliger Nähe der verschiedenen Projektoren, die auch die zugehörigen Tonspuren abstrahlen, ist es auch leicht möglich, Akteure und Stimmen aufeinander zu beziehen, und somit die einzelnen Sprecher zu identifizieren. Der strenge Rahmen, in den das Geschehen eingebunden ist, wird also bald klar.
Spätestens dann wird auch bewußt, daß die Wörter, die hier gesprochen werden, keine andere Information enthalten, als die der absichtlichen Verweigerung von Information, also der Abwesenheit dessen, was in der Welt der Medien für die Hauptsache gehalten zu werden pflegt. Aber vor allem wird auch die in den Sätzen pausenlos formulierte Absicht in vager Zukunft eine kommunikative Handlung herzustellen, durch den monotonen Eifer ihrer Erklärung negiert, eine Konfiguration, die wie geschaffen scheint, um den Begriff des DoubleBind zu illustrieren.
Zur hartnäckigen Erklärung einer guten Absicht, die allen vorhandenen interaktiven Raum besetzt, und so ihre Realisierung verhindert, kommt noch hinzu, daß die Akteure nicht als Urheber dieser von ihnen erzeugten Blockierung wirken, sondern als austauschbare Figuren einer anonymen Regie, die hinter den Kulissen agiert.
Das Spiel, das hier gespielt wird, setzt sich somit aus einem komplexen Arrangement verschiedener medialer Schichten von Präsentation zusammen, deren Oberfläche sozusagen Wörter und Sätze über Kommunikation bilden, die die Wahrheit ihrer eigenen Realität je nach Perspektive verleugnen bzw. verkennen.
Die Situation, in der sich der Betrachter befindet, ist mehr oder weniger beängstigend. Nicht nur bekommt man in eine allgegenwärtige Methode medialer Irreführung, die sich einer ähnlichen Konstellation und Technologie bedient, einen tieferen Einblick, sondern die Frage nach Repräsentation überhaupt, und ob man sich mit ihren Symbolen grundsätzlich identifizieren kann, stellt sich in dem Moment, wo man zu fragen beginnt, ob nicht jede Kommunikation ein Vorbeireden am Eigentlichen bedeutet, insofern sie Mitspielen in einem Spiel ist, dessen Regeln immer schon vorher festgelegt worden sind.
Für diese grundsätzliche Besorgnis böte allerdings die Installation von Nauman auch unmittelbar die Spur eines Auswegs: ist doch jenseits der Worte hier der Hinweis auf das Problem der Vermittlung objektiviert, und kann so einer weiteren Diskussion als Grundlage dienen.
Die Angst vor dem Unsicheren und Fremden in uns selbst wird durch keine positive Identifikationsfigur mehr verdeckt. Aber beinhaltet nicht die nüchterne Entschiedenheit, mit der diese Leere offengehalten wird, auch die vertrauenswürdige Einladung, jenseits der Konventionen genormter und allgemeinverständlicher Diskurse sich selbst als bewußtes Dasein zu verankern? Von hier aus ließe sich dann womöglich eine Form von Kommunikation anbahnen, die nicht von dem steten Bemühen um Ausgrenzung des Heterogenen determiniert wäre, und die darum auch nicht der Logik von Selbstbestätigung durch Negation des Anderen unterworfen, sondern tatsächlich wesentlicher Schritt zum Frieden wäre.
Wenn man sich noch einmal vergegenwärtigt, daß dieser Bewußtseinsmodus vor allem durch die permanente Wiederholung streng vorgeschriebener Texte evoziert wird, läßt sich eine nahe Verwandtschaft mit meditativen Praktiken erkennen. Deren Intention könnte ebenfalls formuliert werden als Freilegung eines unversehrten Kerns der Erfahrung, von dem aus der Wunsch nach und die Fähigkeit zu einem Gespräch anderer Art zu entspringen vermag.
Mit diesem Anstoß bleibt nun der Betrachter sich selbst überlassen. Zwar lassen sich die einzelnen Akteure, nachdem die Sensibilität für die nonverbale Ausdrucksebene gesteigert ist, hinter ihrer Rolle als differenzierte Personen wahrnehmen. Ein Faktum , das die Inszenierung durch Einbeziehung von 2 Akteurinnen, die sich der Taubstummensprache bedienen, reflektiert wird und uns die Differenziertheit von gestischen Ausdrucksweisen zusätzlich verdeutlicht. Die je eigene Art, mit der Unmöglichkeit eines echten Gespräches umzugehen, verrät dabei Einiges über ein fundamentales Problem des Subjektivität als solcher, aber diese Wahrnehmungen bleiben isoliert, bieten keine unmittelbaren Anschlußmöglichkeiten; in einem Konzert könnte man zum Beispiel (innerlich) mitsingen oder sich im Rhythmus der Musik bewegen, hier kann man nur den Mangel spüren.
In diesem Punkt wiederholt Nauman die Idee einer radikalen und universalen (Welt-) Sprache, mit ihrem Kennzeichen des Heroismus symbolischer Abstraktion, die eine allgemeine Ordnung, gerade weil sie an dieser Stelle aufgehoben ist, souverän bestätigt, was dann umgekehrt, insbesondere durch das Museum als sozialer Institution, wieder verbürgt wird.
Alle bekannten Phänomene der Gesellschaft des Spektakels, die in der Abgeschlossenheit der nahezu wissenschaftlichexperimentellen Modellsituation negiert werden, finden sich nun auf der sozialen Ebene, in die das Kunstwerk eingebettet ist, wieder ein und relativieren so als blinder Fleck seine eigene Absicht. Gegenüber dieser Logik scheint auch der Künstler resigniert zu haben, indem er sich demonstrativ auf die einsame Existenz eines Farmers in die Weiten von Arizona zurückgezogen hat. Der Wunsch nach Kommunikation, in der die Souveränität der Teilnehmer gewahrt bleibt, endet so in einer Bestätigung isolierter Individualität, die den gesellschaftlichen Mechanismen gewaltsamer Abstraktion das Feld letztlich unwidersprochen überläßt.
Drängt sich angesichts dieser Drohung, daß der Kern von Wahrheit, der sich in „World Peace (projected)” manifestiert, seine verbindende Kraft niemals wird entfalten können, nicht der Wunsch auf, darüber nachzudenken, wie jene andere Art von Kommunikation, die es inauguriert, in die Tat umgesetzt werden könnte. Für diejenigen, die die ja trotz aller Nonkonformität herauslesbare Aussage der Arbeit wahrgenommen haben, sollte es doch weniger darum gehen, diese zu konservieren, als auf sie zu antworten.
Gegenüber Nauman kann man sich also ruhig in östlicher meditativer Tradition von einer Maxime inspirieren lassen, die die Befreiung des Selbst nicht weniger intendiert, als den Weltfrieden: „Triffst du Buddha unterwegs, dann töte ihn!”

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Michael Hauffen

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