Text

Maureen Connor – Narrow Escape


Daß die klassischen Formen von Kunst immer auch eine Menge von Gelegenheiten darstellen, männliche Überlegenheitsphantasien zu bestätigen – man denke nur an die Symbolik von Pinsel und Leinwand – hat Künstlerinnen schon früh veranlaßt, nicht nur die Sujets, sondern auch das überlieferte Medium in Frage zu stellen. Maureen Connor hatte eines ihrer ersten intensiven Erlebnisse bei der plastischen Arbeit an der Umgestaltung einer Sexpuppe, und der ihr dabei wichtig gewordene Wunsch nach Infragestellung jener tief gelagerter Strukturen geschlechtlicher Gewalt bestimmt bis heute wesentlich ihre Arbeit. Aber sie hat auch als Angehörige einer zweiten Generation feministischer Kunst früh erkannt, daß im Rahmen handwerklicher Arbeit eine Reflexion diskursiver Kontexte nur schwer möglich ist, und aus dieser Perspektive einen radikaleren Kurs eingeschlagen.
In Hinblick auf die mächtige Gewohnheit Phantasmen auf Leinwände zu bannen, stellt ihre Arbeit „Little Lambs Eat Ivy” einen ersten klaren sowie frivolen Kommentar dar: bunte Mädchenkleider, die die Künstlerin selbst einmal getragen, und nun aufgetrennt und als eine Art Raumskulptur aufgespannt hat. Die Geste umgeht geschickt und mit bissigem Humor die frontale Kritik an der für natürlich geltenden Projektion von „männlichen” Wünschen auf den Körper der Frau, und provoziert gerade dadurch den Zweifel an deren substantieller Grundlage.
In der Arbeit „Thinner Than You” spielt ebenfalls ein Kleid die Rolle des „anderen” Stoffes, nun mit dem Akzent auf der verleugneten Bedeutung der körperlichen Empfindungen der Frau, die innerhalb des zur reinen Idee reduzierten Kleides als sozialer Erscheinungsform gar keinen Platz mehr hat, was auch einen Aspekt lebensfeindlicher Schlankheitsideale beleuchten dürfte.
In der Konsequenz dieser Kritik an traditionellen Kunstformen ist auch Connors Entscheidung zu verstehen, sich seit einiger Zeit schwerpunktmäßig dem Video als Medium zuzuwenden.
„Taste” ist eine Arbeit mit zwei Monitoren, die anstelle der Teller in einen feierlich gedeckten Tisch eingelassen sind. Der eine zeigt den fehlenden Teller mit wechselnden Gerichten, die in beschleunigtem Tempo von einer Person verspeist werden, welche sich etwa an der Stelle des Betrachters befinden müßte. Auf dem anderen Monitor erscheinen diverse Münder, die sich auf die Kamera zubewegen, und den Betrachter für ein Objekt ihres Begehrens zu nehmen scheinen. Die entfachte Neugier, in der einen auch der das Arrangement diskret umhüllende weiß-seidene Vorhang zu ermuntern scheint, schlägt dadurch, und wegen einiger unpassender Geräusche, immer wieder in Ekel um. Das unheimliche Gefühl, daß in unseren Wünschen so manches an Pathologischem schlummert, wird aber mit einer bösen Lust provoziert, von der man sich wiederum nicht ungern mitreißen läßt.
Mit „Taste Two” folgt dann prompt das Nachspiel zu der fragwürdigen Ekelorgie feierlichen Mahlzeitens. Der Tritt auf die Personenwaage wird fällig, denn vor den Normen des Idealgewichts gibt es vor allem für Frauen kein Pardon. Connors Version dieses Instruments freiwilliger Selbstkontrolle enthält wieder einen kleinen Monitor (anstelle der Ziffernanzeige), auf dem der Vorgang der Nahrungsaufnahme zunächst wie gewohnt, dann aber noch einmal komplett rückwärts abläuft. Haben wir darin das Verhaltensmodell der Zukunft zu sehen?
Bei aller Rigidität, mit der der weibliche Körper taxiert und Abweichungen ausgegrenzt werden, haben die Instrumente, die der Selbstüberwachung dienen, doch nicht selten etwas Fetischhaftes, das psychisch aus einem engen Zusammenhang mit narzistischen Persönlichkeitsstrukturen zu erklären wäre. Eine Weise des alternativen Umgangs mit Besetzungen dieser Sorte führt Connor in der Arbeit „Fire & Ice, Revlon #53” am Beispiel des Spiegels vor. Spiegel sind ambivalente Objekte, insofern sie zwar das Ich als einheitliches Objekt erfahren lassen, und damit gewisse Ängste beschwichtigen, aber andererseits die Zensur all dessen, was dem geforderten einheitlichen Bild nicht entspricht, unterstützen. Der Horror vor der beschämenden Abweichung, der durch das Normale gebannt werden soll, blockiert damit letztlich jede spielerische Lust im Umgang mit Identität(en). Das hier aufgebaute Aggregat von mehreren verstellbaren Spiegeln und gleich großen Videodisplays, die nichts als Lippen während des Schminkens zeigen, könnte diese Lust wieder in Erinnerung rufen. Das Feld von Bezügen, die sich zwischen den verschiedenen Spiegeln mit ihren frei schwebenden Bildern tendenziell bis ins Unendliche herstellen lassen, erscheint auch als Möglichkeit Spuren des unterschwelligen, aber intensiven Begehrens einzufangen.
Höhepunkt der Ausstellung ist die zuletzt entstandene Arbeit „Narrow Escape”, die aus drei Videomonitoren und einem sie beherbergenden Schrank besteht. Der mittlere Monitor zeigt eine Art Kammerspiel. Eine Gruppe von Frauen, die wie in einem Kostümfilm der 60er Jahre gekleidet sind, findet sich der Reihe nach in einem NeoRokoko Interieur ein, einer Art Salon, allerdings mit deutlichen Abweichungen. Die Tür des Raumes ist so schmal, daß nur hindurchzupassen scheint, wer der Schlankheitsnorm entspricht, und wer kann sich da wirklich sicher sein? Außerdem sind auch die Stühle wesentlich schmaler, als man es von einer soliden Sitzmöglichkeit erwartet. Während also schon das jeweilige Eintreten jeder der Akteurinnen angesichts der Ungewißheit, ob sie auch am exklusiven Kreis teilnehmen kann, zu einem Abenteuer wird, stellt der Zirkus, der dann um die Stühle in Form eines Reise-nach-Jerusalem-Spieles veranstaltet wird, erst recht kein reines Vergnügen dar. Immer wenn sich alle hinsetzen, bricht ein Stuhl zusammen und zwingt zu einem frustrierten Abgang.
Die jeweils abgehenden Personen tauchen nun auf den äußeren Monitoren auf, wo zunächst nur Früchte und Torten zu sehen waren, und machen sich gierig über diese her; Wut und Trauer schlagen nur in Regression um, und dieser fatale Kreislauf scheint immer wieder von Neuem wiederholt werden zu müssen.
Der Darstellung dieses „knappen Entkommens”, als Metapher für das Prekäre der Situation von Frauen ganz allgemein, hat Maureen Connor ein hohes Maß an Sorgfalt gewidmet – auch insofern sie es vermeidet allzu schnell Lösungsversuche vorzulegen, die an der Komplexität der zugrundeliegenden Strukturen scheitern müßten. Vor allem sind es aber die gewissen Quanten von Humor und Ironie, die der ernsthaften Auseinandersetzung mit unerbittlichen Gesetzmäßigkeiten die entscheidende Überzeugungskraft verleihen.
Das Video als Kunstform, eingebunden in Multi-Media-Installationen, hat sich dabei als geeignetes künstlerisches Mittel erwiesen: Nicht nur wegen seiner Differenz zu traditionellen Arbeitsweisen und der Möglichkeit direkter Auseinandersetzung mit den allgegenwärtigen Hollywood-Klischees. Es kann sich überhaupt geschmeidiger in den Bereich jener größtenteils unbewußten Abläufe einmischen, in dem die Vorstellungen von homogener Ordnung immer wieder (re-)produziert werden.

Newsletter

Michael Hauffen

derzeit noch nicht aktiv, bitte versuchen Sie es später wieder