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Stasi City – Jane & Louise Wilson


Die englischen Zwillinge Jane und Louise Wilson interessieren sich vor allem für irrationale Phänomene wie Trancezustände, Horror und Gewalt, und dafür, wie man diese in Filmen oder Fotografien umsetzen kann. Von der Ästhetik Spielbergscher Prägung mit ihren gängigen Klischees und der entsprechenden Langeweile unterscheiden sie sich vor allem dadurch, daß sie den obligatorisch männlichen Helden durch ihre eigenen Personen ersetzen, was als feministisches Konzept allerdings niemanden mehr umwirft. Ziellose Kamerafahrten durch verlassene Räume stellen zudem die Frage nach ihrem unheimlichen Beweggrund, der in den Tiefen frühkindlicher Erfahrungen zu suchen sein dürfte. Unheimliche Dimensionen kann dabei aber auch der Gedanke annehmen, daß die endlose Wiederholung dieser faszinierenden technischen Möglichkeit des Films eine Auflösung pathologischer Strukturen verhindert.
Die neueste Arbeit der letztjährigen DAAD-Stipendiatinnen wurde nicht mehr in künstlich ausgestalteten Schauplätzen aufgenommen, sondern in den verlassen vorgefundenen Räumen zweier Gebäude, die zu DDR-Zeiten der Stasi gehörten. Bereits eine derartige Tatsache pflegt bekanntlich westlichen InterpretInnen zu genügen, um die Niederlage des Kommunismus zu verklären. Aber auch innerhalb der Logik des Kunstwerks bewirkt das spektakuläre Moment eines historischen Terror-Szenariums, daß die intendierte Auseinandersetzung mit subjektiven Strukturen des Unheimlichen den Akteurinnen entgleitet.
Das Hauptproblem besteht darin, daß ein künstliches setting wesentlich metaphorischen Charakter hat, während hier eine Dimension des Dokumentarischen hinzukommt, und die Projektionen des tranceartig imaginierenden Subjekts mit einem inkompatiblen Realitätsgehalt vermischt. Von der hohen Komplexität des unverarbeiteten Gegenstandes überfordert, steigert sich im Video „stasi city” die Depression ins Unerträgliche, um schließlich zur gespenstischen Erscheinung einer einsamen Frauengestalt zu gerinnen. Zuerst erscheint diese in Polizeiuniform: im Paternoster vorbeifahrend oder die Räume durchschreitend, später dann im Trainingsanzug, übernatürlich schwebend bzw. von der Decke hängend. Filmstills, die, zu großen Formaten aufgeblasen, museale Isolation beanspruchen, bestätigen diese programmatische Beschränkung auf faszinierende Kulissen und ihre Fähigkeit Kinoerlebnisse heraufzubeschwören.
Die inzwischen zum Allgemeinplatz gewordene medientheoretische These vom Verschwinden der Realität in ihren medialen Erscheinungen zeigt sich als bequeme Ideologie. Von der provokativen Infragestellung selbstverständlich scheinender Repräsentationsnormen ist nur die resignative Beschränkung auf deren faszinierenden Leerlauf geblieben.
Daß das Fremde, das in den medial angepaßten Bildern immer schon vorab ausgeschlossen und abgeschoben worden ist, hier wiedergefunden und ernst genommen würde, kann nur bezweifelt werden. Durch die zelebrierte Form von Effekthascherei und jegliche Vermeidung einer wirklichen Auseinandersetzung mit politischen Zusammenhängen wird jedenfalls vor allem einer Infantilisierung des Publikums zugearbeitet, von dem konsequenterweise nur noch unproblematische Sichtweisen zu erwarten sein werden.

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Michael Hauffen

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