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Rodney Graham


some works with sound waves, some works with light waves and some other experimental works

Der erste Eindruck von den Arbeiten Rodney Grahams dürfte für diejenigen BetrachterInnen, die mit ihrer inneren Struktur nicht vertraut sind, eher abschreckend sein. Sein Werk bedient das System einer ästhetischen Kultur, deren Spektrum vom Spektakulären bis zum Dekorativen reicht, ebensowenig wie den Wunsch nach Analyse und Artikulation sozialer Konflikte. Erst durch die Rekonstruktion der Zusammenhänge, über die seine Arbeiten als konkrete Punkte eines dichten Systems von Kommentaren, Anspielungen und Hinterfragungen erkennbar werden, ergibt sich das Bild eines autonomen diskursiven Prozesses, der vielschichtige Irritationen auslöst.
Dennoch handelt es sich hier nicht um einen Rückzug in exklusive Selbstbezüglichkeit. Konform mit der Entwicklung konzeptueller Strategien, durch deren Schule Graham gegangen ist, wendet sich sein Interesse anderen Systemen zu, die auf jeweils verschiedene Art im Verhältnis der Nachbarschaft zu dem stehen, was im Kunstsystem seinen Ort hat. Nachbarschaften machen es nicht immer leicht, genaue Grenzen zu ziehen. Aber sie ermöglichen einen wechselseitigen Transfer, über den sich ungewohnte Aspekte ergeben können, über die also vor allem ein Reflexionsprozess in Gang gehalten wird, der der drohenden Erstarrung in hermetischer Abgeschlossenheit entgegenwirkt.
Gleich bei der Arbeit Complications of Payment (1996), die in der Münchner Ausstellung den größten Raum einnimmt, wird ein System von Beziehungen fokussiert, das es erlaubt, derartige Anomalien zu beobachten. Es handelt sich um eine Analyse der Geldtransfers, die sich zwischen Sigmund Freud und einigen Personen aus seiner Umgebung im Zusammenhang mit der Analyse der Nichte seines ehemaligen Freundes Joseph Breuer ergeben haben. Der verzweigte Geldfluss von und zu Freud wird als Malerei auf Leinwand in Form eines Diagramms präsentiert. Das Bild dient Graham in einem Vortrag zur Illustration seiner Theorie, dass sich die Problematik dieser Zahlungen auf einen von Freuds Träumen ausgewirkt haben, der bereits Gegenstand einer früheren Arbeit war. Vortrag sowie Ankündigungsplakate sind ebenso wie eine Text- und eine Videodokumentation in der Ausstellung präsent. Aber es geht hier nicht allein um die Verbreitung einer mehr oder weniger interessanten Theorie, sondern um den daran anschließenden Verdacht, dass jedes der Systeme, aus deren Funktionieren wir unsere Gewissheiten beziehen, von Mechanismen beeinflusst wird, die uns verborgen bleiben. Wenn demnach der Geltungsbereich kognitiver Anstrengungen immer nur relativ sein kann, entsteht die paradoxe Situation zirkulärer Verweise: Im gleichen Zug mit der Sicherheit, die Graham von Freuds Theoremen bezieht, die sich die Erklärung latenter Mechanismen zum Ziel gesetzt haben, entsteht auch Unsicherheit, da diese Erklärungen ebenfalls von ihnen nicht bewussten Motiven gesteuert werden.
Konsequenterweise sucht Graham Stabilität und Kontinuität weniger in der Anpassung seiner Äußerungen an Schemata, die traditionell verbürgt sind, als im Insistieren auf den Paradoxien an der Grenze von Formationen im Allgemeinen, und ihrer rekursiven Struktur, das sich in einem wiederholten Kreisen um Konstellationen äußert, in denen der Beobachter eine entscheidende Rolle spielt.
Nicht nur metaphorisch kommt das in der Arbeit Edge of a Wood (1999) zum Ausdruck, einer Video-Doppelprojektion, die zeigt, wie ein Waldstück, das in nächtlicher Dunkelheit liegt, mithilfe zweier Helikopter bzw. ihrer Scheinwerfer beleuchtet wird. Die beiden Projektionsflächen bleiben noch schwarz, während man zunächst das Geräusch der herannahenden Hubschrauber hört, und geben dann im flackernden Schein der Lichtkegel Teile des Waldrandes wieder. Allerdings beschränkt sich die Sichtbarkeit auf relativ kleine Flächen, die sich nie über das ganze Bildfeld ausdehnen, so dass der Beobachter gezwungen ist, die Lücken zu ertragen und im Kopf zu ergänzen, bis schließlich alles wieder ins Dunkel taucht.
Als 16mm Filmloop in einer Vorführkabine von nüchterner Eleganz präsentiert sich die Arbeit von 1996: Corruscating Cinnamon Granules, deren aus dem Nichts aufscheinende Lichtpunkte wie die Wiedergabe eines intergalaktischen Phänomens wirken, auch wenn sie bei genauerem Hinsehen auf einer banalen Kochplatte erzeugt wurden. Die Differenz zwischen Realität und subjektiver Konstruktion reflektiert auch Model for a Siesta Room (2000); es handelt sich um das Modell einer von idyllischer Landschaft umgebenen Villa, deren Fensterfront sich per Kurbel in die Frontplatte einer camera obscura verwandeln lässt. Den Schritt von der dreidimensionalen Welt zum zweidimensionalen Bild auf die Schnittstelle von privatem Eigenheim und seiner Umwelt zu übertragen, regt zu einer Reihe von möglichen Interpretationen an. Beispielsweise verbindet sich an dieser Stelle die Frage nach der möglichen Gewissheit innerhalb abgeschlossener Systeme mit einem medienkritischen Diskurs, in deren Rahmen auch Intimität als konfliktträchtige Konstruktion erscheint.
Abgesehen von den Gewissheiten verflüchtigen sich in dieser Situation auch die Subjekte. Eine Reihe von Arbeiten Rodney Grahams befassen sich daher mit der Selbstinszenierung unter dem Aspekt des Verschwindens des Subjekts hinter den Masken und Bildern, über die es den sozialen Kontakt herstellt. Eine ganz neue Arbeit zu diesem Komplex ist Fishing on a Jetty, ein zweiteiliges großformatiges Foto, in dem Graham eine Szene aus Alfred Hitchcocks To Catch a Thief nachstellt. Nach Art eines Pastiche nimmt er selbst in diesem Bild die Gestalt der Person an, die sich in der unauffälligen Pose eines Freizeitanglers erfolgreich verbirgt. Der Widerspruch zwischen Selbstdarstellung und dem Sich-Verstecken hinter einer Maske erzeugt eine Irritation, die den alltäglichen Prozessen der Konstruktion des Authentischen ihre Selbstverständlichkeit nimmt. Man wird sich auch hier der Vielfalt ineinandergreifender Funktionen verschiedener beteiligter Medien und Dispositive bewusst, deren Wirkungen von Unvorhersehbarkeiten und Zufällen abhängen.
Allen diesen Arbeiten haftet etwas von der Angestrengtheit konzeptueller Auseinandersetzung mit den Komplikationen und Dunkelzonen postmoderner Existenz an. Auch wenn es Rodney Graham immer wieder gelingt, jene Grenzsituation zu erreichen, in der, wie er selbst formuliert, „Systeme außer Kontrolle geraten” und „eine Art Delirium [entsteht]”, scheint er in letzter Zeit nach einer Kompensation gesucht zu haben, und sieht seinen Weg zu offeneren Strukturen nun darin, gelegentlich auf das Terrain des Popmusikers überzuwechseln. Zusammen mit dem Katalog ist eine Vinylplatte mit Gitarrenimprovisationen erschienen, und schon vor der Ausstellung lag eine CD vor, deren 17 Titel Graham selbst komponiert und eingespielt hat. In diesem Zusammenhang verweist er gerne auf den unter rätselhaften Umständen gestorbenen Rockmusiker Kurt Cobain als eine Art Idol. Grahams Songs wirken durchschnittlich und man glaubt gerne, dass sie für ihn einen gewissen Erholungswert besitzen. Aus der CD wurde dann ein Song für ein Videoclip ausgewählt, das eine Art schwerelose Frühlingsstimmung vermittelt.
Eingeschworene Anhänger konzeptueller Kunst dürften von dieser Art Aufweichung strenger Maßstäbe enttäuscht sein. Aber auch hier fällt schließlich das Wissen um die relative Unbestimmbarkeit einer Grenze ins Gewicht, der die Abweichung vom geraden Pfad eines Kanons beginnen würde. Zurück bleiben Spekulationen, die der jeweilige Beobachter selbst zu verantworten hat, und in die seine eigenen Orientierungen verflochten sind. Letztlich könnte es also sogar im Sinne der Problemstellungen der concept art und Rodney Grahams Aufgreifen ihrer Strategien sein, wenn er die Leitlinien partiell zur Disposition stellt. Ob seine Impulse zu einer Neubelebung dieser Kunstrichtung führen, wird sich allerdings erst noch zeigen müssen.

Zu den Ausstellungen erscheint ein Katalog mit Vinylplatte, mit Texten von Dr. Susanne Gaensheimer, Rodney Graham, Martin Pesch und Dirk Snauwaert.

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Michael Hauffen

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