Springer Verlag2004
erschienen 2004 in KUNSTFORUM
Die Idee des Bildes zu reflektieren hat eine philosophische Tradition, die bis zu Plato zurückreicht, während Architektur immer nur in ihrem konkreten materiellen und funktionalen Kontext diskutiert wurde. Das behauptet jedenfalls Jacques Herzog im Gespräch mit Jeff Wall, der seinerseits von der Position Platos gar nicht so weit entfernt scheint, wenn er beklagt, wie Bilder zumeist „nur als Bilder” genommen werden, also als etwas, das man als Unterhaltung und Dekorum konsumieren kann, ohne sich dabei weiter in ihre komplexe Struktur verstricken zu wollen. Aber Wall würde vielleicht bezweifeln, ob Bilder auf unveränderliche Ideen zu verweisen hätten. Im Gegensatz zu Herzog insistiert er auf dem Prozess der Aneignung von Werken durch ihre Betrachter oder – im Fall der Architekur – durch ihre Bewohner und Nutzer, wenn er es ausschließt, dass der jeweilige „Schöpfer” den Gebrauch, den jene davon machen, im Voraus kalkulieren könne. Ihn interessieren demnach vor allem die Verschiebungen und Zufälle, die bei der Kommunikation ästhetischer Produkte im Spiel sind, und die es erlauben, einmal gesetzten Realitäten plötzlich eine neue Wendung zu geben. Herzog sieht die Schwierigkeit, auf eine derart unkontrollierbare Realität Bezug zu nehmen, in der starken Abhängigkeit des Architekten von Faktoren wie Finanzierung, Umgebung oder Bürokratie. Immerhin hatte aber die Karriere seines Büros (H&deM) damit begonnen, dass man – beeindruckt durch den Kunstbegriff von Josef Beuys – angefangen hatte, auch temporale Strukturen in den Blick zu nehmen. Unter anderem setzte man dafür Videostudien ein, damals noch ein junges Medium. Heute ist die primäre technologische Herausforderung der Computer. Ihm gegenüber befindet sich nun Herzog in der Defensive, wenn er ihn als Vehikel einer ausufernden Mittelmäßigkeit charakterisiert. Letztere findet auch Wall bedrückend, und zieht sich vor dieser entfesselten Kreativität lieber in mehr klassische als moderne Bildkonzepte zurück. Kontrovers wird es da nur noch bezüglich der Frage, ob die postmoderne Ausgangssituation als Chance für die Befreiung von traditionellen Zwängen bejaht oder als Mangel an klaren Voraussetzungen bedauert wird. Vielleicht liegt dieser Differenz die Tatsache zugrunde, dass es Wall in seinen Photoarbeiten gelingt, auf die Logik visueller Medien, wie TV, Film und Magazine, nicht nur zu antworten, sondern sie auch zu übernehmen und ihr Potential – zumindest in einer Richtung – auszuschöpfen. Die Gebäude von Herzog & deMeuron verraten dagegen den Hang zu einer fast fundamentalistischen Monumentalität, die die Klischees der visuellen Medien eher bestätigt als reinterpretiert. Auch ihre jüngst an Bedeutung gewinnende Bebilderung von Fassaden wirkt hier beinahe wie eine Unterwerfung unter photogene Trends.Wenn der Architektur dann nur noch die verwendeten Baumaterialien für ihre genuine Identität bleiben – etwa indem sich eine glatte Wand bei näherem Hinsehen als fein strukturiertes Holz erweist – dürfte sie sich allerdings gegenüber den Herausforderungen der Gegenwart insgesamt auf dem Rückzug befinden. Sicherlich darf in der Selbsterfahrung das Selbst als Körper, der sich zu verschiedenen Maßverhältnissen in Beziehung setzt und sich dabei bewegt, nicht unterschätzt werden. Aber ginge es darüber hinaus nicht darum, diese Bewegungs- und Erfahrungsspielräume mit dem weiteren sozialen Kontext zu verknüpfen, anstatt sie, wie das auch Wall trotz seiner sozialkritischen Themen tut, für ein hermetisch abgeschlossenes Einzelbewusstsein zu homogenisieren? Dieser Rückzug angesichts einer Realität der Diskontinuität und des Prekären, bildet sich auch im Verlauf des Gespräches ab: Man erfährt wenig davon, wie die Personen geworden sind, was sie sind, von welchen Einflüssen sie sich haben bestimmen lassen, welche Tricks und Strategien sie anwenden um ihre Positionen zu halten oder auszubauen, oder in welche historische Prozesse sie sich verwickelt sehen. Solche Unnahbarkeit geht allerdings mit einem reibungslos funktionierenden Starsystem konform, in dem sich kritische Inhalte hinter der Fassade von Allgemeinplätzen zu verbergen pflegen. Für Beobachter, die etwas über die heutige Situation von Kunst und Architektur erfahren wollen, wird dabei nicht viel geboten. Es sei denn, man wollte nur lernen, wie man sich in der Rolle eines Stars den Turbulenzen einer immer unruhigeren Welt souverän entzieht. Pictures of Architecture, Architecture of PicturesA Conversation between Jacques Herzog and Jeff Wall, moderated by Philip Ursprung.Springer Verlag, Wien New YorkAus der Reihe „Kunst und Architektur im Gespräch”, edited by Christina Bechtler.
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