Kunstbau, München17.6. - 6.10.1996
erschienen 1996 in KUNSTFORUM
Der Kunstbau in München liegt bekanntlich über einem U-Bahnhof und ist mit diesem vom Grundriß her identisch. Ein 120 Meter langer unterirdischer Kubus als Ausstellungsraum für Kunst evoziert per se Vorstellungen von Gewalt. Es wurde jedoch versucht durch Einbau eines Vorführraums, der in Form eines hängenden Zylinders den Gesamtraum in der Mitte teilt, und die Verwendung von Holzparkett für den Fußboden die Situation zu entspannen. Für Olaf Metzel bedeutet das ein Manöver der Beschönigung, wie es für den herrschenden Umgang mit vorhandenen Potentialen symptomatisch ist. Sein demonstrativer Widerstand gegen derartige Tendenzen der Normalisierung ist im Laufe der Zeit zu einem umfangreichen Arsenal von Manifestationen des Protests angewachsen. Formen der Radikalität lassen sich aber nicht wiederholen ohne abzuflachen. Die Herausforderung dieser Ausstellung bestand somit darin, auf die spezifische Örtlichkeit mit überraschenden Mitteln zu antworten.Gleich als erstes fällt der Blick des Eintretenden auf eine 50 Meter lange Leitplankenschleife, die sich um die mächtigen Betonpfeiler doppelreihig windet. Anstelle der passenden Rennautos, die hier immerhin Platz hätten, absolvieren aber nur Kunstflaneure ihre langsamen Runden im authentisch gelblichen Zwielicht. An der vorderen Schleife passieren sie so zwei Werke des Künstlers, die eindeutige Zerstörungsabsichten demonstrieren: Die ältere Arbeit „112:104” besteht aus der Inneneinrichtung einer Basketballhalle, deren ehemaliger Boden inkl. Körben und Spielstandsanzeiger als Abbruchmasse in einer Ecke aufgeschichtet daliegt. Gleich daneben befindet sich die Arbeit „Auf Wiedersehen”, ein noch wüsterer Haufen von Teilen, die so wirken, als ob sie gerade aus einem neuen Fußballstadion herausgerissen worden wären. Zwischen auf Metallstangen montierten Plastiksitzschalen, Gitterrosten, die einmal der Boden unter den Füßen von Fans gewesen sein müssen, sowie diversen Arten von eisernen Absperrgittern, hat so auch noch ein lädiertes Tor samt Netz seinen Unort gefunden. Die offene Ablehnung, die von diesen drei Arbeiten gegenüber den allzu bekannten Formen der Freizeitkultur zum Ausdruck kommt, ähnelt vielleicht dem Ressentiment durchschnittlicher Zyniker. Sich über die Normierung des Konsumenten von Massenkultur erhaben zu fühlen, gehört ja gewissermaßen dazu, wenn man erst einmal den Aufstieg in die exklusive Zone des höheren Kulturbereichs geschafft hat. Aber auch hier wird nicht nur nach den Regeln der Fairneß gekämpft, sondern - wenn auch subtil - Macht ausgeübt. Und Metzel gehört nicht zu den Künstlern, die das herunterspielen und sich selbst in die Rolle des Repräsentanten der Elite zu manövrieren versuchen. Im Mittelteil der Ausstellung, dort wo er den freien Blick gebremst sieht, geht er zum direkten Angriff gegen die Instanz vor, die hier die Institution gegenüber dem Künstler verkörpert, nämlich die Architektur. Da es ihm nicht möglich ist, mit der Videokanzel so rigoros zu verfahren, wie er es bei den Tribünenteilen vorexerziert hat, treibt er deren Tendenz zur Biederkeit ins Absurde. Der zylinderförmige Videoraum wurde gleich um drei weitere in ähnlichen Abmessungen - und von ähnlich nichtssagender Schönheit - vermehrt, mit dem Resultat, daß nun nur noch schmale Durchgänge links und recht davon bleiben, um in den hinteren Teil des Raumes vorzudringen. Der Titel der Arbeit, „Kunstbau”, gibt dieser Art von sarkastischem Kommentar auf die zeitgemäße Norm sparsamer Eleganz die letzte Note. Dem tut auch das Innenleben, das sich in dem angestammten, wie auch in einem der neuen Zylinderabteile verbirgt, keinen Abbruch. Während im Videoraum eine hektische Montage von Bruchstücken aus Kriegsübungen an verschiedenen Fronten, auch solchen des Alltagskampfs gezeigt werden, befindet sich in einer der neuen Tonnen, die gebaute Vision einer monströsen Mülltonne, die wiederum mit verschiedenen Mülltonnenteilen ausstaffiert ist. Wie eine Anspielung auf den dekorativen Charakter vieler heutiger Rauminstallationen mutet die Art und Weise an, in der buchstäblicher Kunstschrott hier über die Wellblechflächen verteilt ist. Und die grelle Halogenbeleuchtung betont noch die gewollte Unbrauchbarkeit dieser Inszenierung für Zwecke schicker Präsentation – welcher Produkte auch immer.Im hinteren Teil der Ausstellung stößt man schließlich auf eine vergrößerte Version der Arbeit „Im Grünen” von 1992. Die Hauptbestandteile eines Campingurlaubs sind hier mit militärüblichen Tarnnetzen zu einem riesigen postmodernen Knäuel verknotet, das jeden Glauben an dessen Entwirrung ohne endgültig ruinierte Nerven entmutigt. Das Ganze hängt in seinem Netz von Gummizügen und Bergsteigerseilen, die sich zwischen Decke und Parkett großzügig ausdehnen können, und braucht daher nicht allein als Anspielung auf familiäre Konflikte, sondern kann darüber hinaus als Vergegenwärtung kollektiver Unfallpotentiale auf verschiedensten Ebenen genommen werden. Um den Charakter einer hoffnungslos gestörten Öffentlichkeit, die auch in intimste Sphären hineinreicht, noch zu betonen, dienen die lose herumhängenden Kopfteile von Neon-Straßenlaternen zur Beleuchtung.Freizeit scheint für Metzel kein sehr positiv befrachteter Begriff zu sein. Und in dieser Hinsicht scheint er auch keinen allzu großen Unterschied zwischen der zu machen, die für alle da ist, und der, die sich als Kulturangebot diskreter gibt. Was ihn aber nicht daran hindert, an den als solchen definierten Veranstaltungen teilzunehmen, und zwar äußerst entschieden.Ähnliches findet sich beispielsweise bei Fußballfans. Nanni Ballestrini hat in seinem Tatsachenroman „Die Wütenden” eine solche Gruppe beschrieben, die sich unter dem Druck staatlicher Restriktionen – von ständigen Drogenkontrollen bis hin zu diversen Gitterkonstruktionen in den Stadien – nicht davon abhalten lassen, ihre Aggressionen ungebrochen und phantasievoll zu demonstrieren. Während viel Energie darauf verwendet wird, diese in Richtung auf Minoritäten zu kanalisieren, und den Bereich der Freizeit strengen Regeln zu unterwerfen, die den Teilnehmern den Zugriff auf deren Voraussetzungen entziehen, provozieren Randgruppen wie „I Furiosi” und Künstler wie Olaf Metzel die Idee einer entfesselten Lebendigkeit, die sicher nicht so dämonisch brutal ist, wie das die Verteidiger der Kontrolle von oben immerzu beschwören.
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