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Wolfgang Ellenrieder


Grün wurde in der klassischen Moderne aus dem Kreis der Hauptfarben klar ausgeschlossen. Kandinsky zum Beispiel begründet diese Ablehnung mit ihrem passiven und langweiligen Charakter und identifiziert sie sogar mit dem Feindbild einer bequemen und selbstzufriedenen Bourgeoisie.
So eindeutig pflegt man sich heute in der Kunst nicht mehr abzugrenzen. Darf man darin ein Zeichen von größerer Aufgeschlossenheit erblicken? Eine Rationalität, die darauf beruht, die Welt in streng isolierbare Elemente zu zerlegen, hat sich jedenfalls zunehmend als problematisch erwiesen, nicht nur wo es um Phänomene wie Leben geht.
Bei Wolfgang Ellenrieder scheint das ehemals Verdrängte mit voller Wucht zurückkommen zu wollen. Die Farbe Grün stellt in seinen Bildern nicht nur ein dominantes Element dar, sondern sie schließt von vorneherein die Qualität von (pflanzlichem) Wachstum ein. Strukturen, die sich als Blätter, Stengel und Früchte identifizieren lassen, füllen dabei den Bildraum, so daß nicht nur üppig wuchernde Vegetation erkennbar wird, sondern auch der von den Normen instrumenteller Vernunft unterdrückte Wunsch, in expressiven Gesten eine überschwengliche und reiche Sinnlichkeit freizulegen.
Im Medium konventioneller Tafelbilder drängt sich hier vor allem die Eigenart eines polymorph-perversen Begehrens auf. Dieses versucht sich bekanntlich beim Menschen seit der frühen Kindheit in Objekten wiederzufinden, die aus der Perspektive unserer erwachsenen Identität, wenn nicht als obszön und peinlich, dann als phantastisch eingestuft werden. So verwundert es auch keineswegs, wenn manche der Szenarien, die Ellenrieder konstruiert, wie aus Science-Fiction-Filmen entlehnt wirken. Die Faszination, die von diesen verschlungenen Figuren ausgeht, trägt hier wie dort den selben Charakter der Ambivalenz: Ekel vermischt sich mit Lust und Neugier mit einem Gefühl des Unheimlichen.
In der Psychoanalyse ist die Rückwendung zu den frühen Stufen des Begehrens als Regression bekannt. Die Kunst erlaubt uns, mit diesen tieferen Bewußtseinsschichten zu kommunizieren. Langweilig wird es dabei erfahrungsgemäß, wenn faszinierende Gestalten in stereotype Klischees münden. Ellenrieders Bilder wecken die Erwartung, daß es wieder spannend wird – nicht zuletzt in der Geschichte der Moderne.

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Michael Hauffen

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